Einführung in die Onkologie

Wie entsteht Krebs?

Wie kommt es zu einem Tumorverdacht?

Diagnostik bei Tumorverdacht

Tumorklassifikationen & Staging

Therapieziele und -prinzipien

Verlaufs- und Abschlussuntersuchungen, Nachsorge

Rezidiv und Metastasen

Besondere Patientengruppen

Klinische Studien

Wie entsteht Krebs?

Autorin: Dr. J. Knust

Die meisten Zelltypen unseres Körpers sind grundsätzlich zur Vermehrung und somit zur Vervielfältigung und Verjüngung ihres Systems fähig. Diese Fähigkeit unterliegt komplexen Steuerungsmechanismen, aus deren Fehlerhaftigkeit oder Schädigung sehr selten ein unkontrolliertes Wachstum entstehen kann – Krebs.

Grundsätzlich kann man zwei Arten der Schädigung unterscheiden. Entweder trifft der Fehler die genetische Information, die im DNA-Code dieser Zelle fixiert ist und verändert wird (Mutation), oder aber die Art und Weise, wie diese genetische Information abgelesen wird. Wir unterscheiden also genetische und epigenetische Mechanismen in der Krebsentstehung. Krebsverursachende Genveränderungen können – sehr selten – ererbt sein, aus zufälligen Fehlern im Rahmen des Zellzyklus hervorgehen, oder Resultat einer toxischen Schädigung der DNA z. B. durch Umweltfaktoren sein. Hierzu zählen z. B. Zigarettenrauch oder radioaktive Strahlung, aber auch verschiedene Infektionskrankheiten (Hepatitis C, HPV-Infektion).

Wie und warum bei einer Person Krebs entsteht, wird aktuell auf eine Kombination der oben genannten Entstehungswege zurückgeführt. Ererbte genetische Defekte treten etwa bei 5-20 % der Bevölkerung auf und bedingen ein gegenüber Gesunden deutlich erhöhtes, aber nicht 100 %iges Risiko, an Krebs zu erkranken. Zu den bekanntesten gehören die Brust- und Eierstockkrebs verursachenden BRCA-Mutationen („Angelina-Jolie-Gen“). Umweltfaktoren stellen häufig beeinflussbare Risikoquellen dar (Stichwort „Prävention“), sind unterschiedlich ausgeprägt in ihrem krebsverursachenden Potential und in der breiten Öffentlichkeit oft intensiv diskutiert. Hier zeigt sich ein breites Spektrum von gesicherten Faktoren mit großer Relevanz (Zigarettenrauch, UV-Strahlung, Radioaktivität) bis zu einer Vielzahl von Stoffen, insbesondere im Ernährungsbereich, deren Eigenschaften und Wirkungen im Hinblick auf Krebsentstehung wissenschaftlich noch nicht hinreichend untersucht sind (einzelne Konservierungs- und Farbstoffe, Pestizide). Viel häufiger akkumulieren im Laufe der Lebenszeit zufällig auftretende Fehler im Rahmen der DNA-Replikation (erworbene genetische Defekte) und können eine Krebserkrankung auch unabhängig von den vorher genannten Mechanismen auslösen. Eine sogenannte genetische Alterssignatur lässt sich im Erbgut vieler Krebserkrankungen nachweisen.

Die Arten der genetischen und epigenetischen Schädigungen sind vielfältig, in jedem Krebs unterschiedlich und können sich auch innerhalb einer Erkrankung unterscheiden und vor allem im Verlaufe einer Krebserkrankung ändern. Grundsätzlich kann man im Allgemeinen drei unterschiedlichen Gruppen von Genen ausmachen, die im Rahmen der Krebsentstehung primär von Mutationen betroffen sind: Proto-Onkogene, Tumorsupressorgene und DNA-Reparaturgene. Die entstehenden Veränderungen werden dann als Treibermutationen bezeichnet, wenn bewiesen ist, dass sie eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der jeweiligen Krebserkrankung zeigen. Dies lässt sich tierexperimentell beweisen, oder klinisch im erkrankten Menschen, wenn diese Treibermutation gezielt ausgeschaltet werden (sog. targeted therapies – zielgerichtete Therapien).

Krebszellen können sich im Prinzip aus jeder Zelle des Organismus entwickeln. Die klassische Nomenklatur orientiert sich in ihrer Einteilung an den Ursprungsgeweben des jeweiligen Krebstypus. So werden bösartige Neubildung aus epithelialem Gewebe als Karzinome, solche aus ursprünglich mesenchymalem Gewebe, dem späteren Binde- und Stützgewebe, als Sarkome und die Neoplasien des blutbildenden Systems als Hämoblastosen bezeichnet. Darüber hinaus grenzt man die hirneigenen Tumoren als eigene Gruppe ab. Daneben gibt es eine Anzahl von eigenständigen Entitäten, die sich hier nicht einordnen lassen, beispielhaft die Keimzelltumore.

Aufgrund ihrer unterschiedlichen Wachstumsmuster trennt man klinisch in der Regel die soliden Tumoren, Krebsarten, die lokal aus einem Gewebe hervorgehen und erst im fortgeschrittenen Stadium metastasieren, von den hämatologischen Tumoren oder Hämoblastosen, die sich primär als systemische (d.h. von Beginn an den gesamten Organismus betreffende)  Krankheiten manifestieren.

Um sich gegenüber ihrer Umgebung Wachstumsvorteile zu verschaffen, sich durchzusetzen und auszubreiten, machen sich Krebszellen normale Funktionen des Körpers für ihre Zwecke zunutze oder umgehen gewisse Kontrollmechanismen. Die biologischen Charakteristika maligner Zellen (hallmarks of cancer) sind in Abbildung 1 durch die von Professor Norbert Frickhofen (Wiesbaden) gestaltete Abbildung dargestellt.

 

Abbildung 1: Merkmale von Krebszellen und Einflussfaktoren auf das Krebswachstum Schema in Anlehnung an das Modell von Hanahan und Weinberg. Genomische Instabilität wird als eine Grundlage der Krebsentstehung und Entzündung als Wachstumsreiz angesehen. Deregulation des Stoffwechsels und Unterlaufen der Immunabwehr sind neue, in ihrer Bedeutung noch nicht ausreichend einschätzbare Merkmale. Im Zentrum abgebildet ist eine Adenokarzinom-Metastase im Knochenmark.  Abbildung von N. Frickhofen aus Alt-Epping B, Fuxius S, Wedding U (Hrsg.): Onkologie für die Palliativmedizin. Göttingen University Press, Göttingen 2015.

Literatur

Deutsche Krebsgesellschaft  (Stand 05/2018)

National Cancer Institute (Stand 05/2018)

Alt-Epping B, Fuxius S, Wedding U (Hrsg.): Onkologie für die Palliativmedizin. Göttingen University Press, Göttingen 2015

Alt-Epping B, Fuxius S, Wedding U (Hrsg.): Essentials Onkologie: das wichtigste für Ärzte aller Fachrichtungen. 1. Auflage; Elsevier, Urban & Fischer, München 2017

Hanahan D, Weinberg RA (2011): Hallmarks of Cancer: The Next Generation. Cell 144, 646–674

Wie kommt es zu einem Tumorverdacht?

Autorin: Dr. H. Quack

Der Verdacht auf eine Tumorerkrankung kann sowohl auf dem Boden von unspezifischen als auch spezifischen Symptome gestellt werden. Zusätzlich kann sich auch bei völlig asymptomatischen Patienten durch Befunde von Labor- oder bildgebender Diagnostik der Verdacht auf eine Tumorerkrankung ergeben.

Zu den unspezifischen Symptomen gehört die B-Symptomatik. Regelmäßiges Auftreten von Fieber (> 38 °C), Nachtschweiß und Gewichtsverlust sind kennzeichnend. Der Gewichtsverlust wird dabei definiert als ungewollter Verlust von mehr als 10 % des Körpergewichts in den vergangenen 6 Monaten. Der Nachtschweiß ist hierbei so ausgeprägt, dass es zum nächtlichen Wäschewechsel kommt. Typisch ist B-Symptomatik vor allem für Patienten mit malignen Lymphomen, sie kann aber auch bei anderen bösartigen und auch bei nicht-bösartigen Erkrankungen auftreten, wobei hier differentialdiagnostisch vor allem infektiöse Ursachen zu nennen sind, wie z. B. AIDS oder Tuberkulose. Man erfragt das Vorliegen von B-Symptomen in der Anamnese und berücksichtigt sie beim initialen Staging, das alle Manifestationen der Erkrankung erfassen sollte und Grundlage des weiteren therapeutischen Vorgehens ist. Auch beim so genannten Re-Staging nach Abschluss der durchgeführten Therapie wird die B-Symptomatik abgefragt.

Des Weiteren sollte in der Anamnese nach unspezifischen Krankheitszeichen wie nachlassendem Appetit, allgemeiner körperliche Schwäche, abnehmender Leistungsfähigkeit, Schmerzen und Juckreiz, gefragt werden. Sie können auf eine Tumorerkrankung hinweisen.

Spezifische Symptome können sehr vielfältig sein und geben Hinweis auf die Tumorlokalisation. So ist es wichtig, den Patienten nach tastbaren Schwellungen, Verhärtungen oder Knoten auf der Haut, Schleimhäuten oder in Weichteilen, oft ohne Schmerzempfindung zu fragen. Die Frage nach Schmerzen ungeklärter Herkunft gibt weitere Hinweise. Liegen Veränderungen an Brust oder Hoden, oder Vergrößerung von Lymphknoten in den Achselhöhlen, den Leisten oder am Hals, sowie Veränderungen am Kopf vor? Besteht ein anhaltender Husten oder die Veränderung eines lange bestehenden Hustens sowie ständiger Hustenreiz? Hat der Patient blutigen Auswurf beim Husten, oder eine chronische Heiserkeit, oder anhaltende Schluckbeschwerden? Besteht eine neu aufgetreten Dyspnoe?

Die Frage nach neu aufgetretenen Blutungszeichen wie Petechien, Zahnfleischbluten oder andere Schleimhautblutungen (verstärkte Regelblutung, Hämaturie, Hämatochezie, Epistaxis), einer Hämatom-Neigung können auf ein hämatologisches Malignom hinweisen.

Als Sonderform der spezifischen Symptome sind noch die paraneoplastischen Syndrome (PNS) zu nennen. Unter dem Begriff der PNS werden die Begleitsymptome einer Krebserkrankung zusammengefasst, die nicht primär durch den Tumor selbst bedingt sind. Sie treten bei etwa 5–15 % aller Krebserkrankungen auf und können der Diagnose eines malignen Tumors teils längere Zeit vorausgehen. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind unterschiedlich. Sie können etwa in der Produktion von Zytokinen oder hormonähnlichen Substanzen, aber auch in zellulären oder humoralen Immunreaktionen bestehen. Die PNS können an einer Vielzahl von Organsystemen auftreten, z. B. gibt es endokrine, neurologische, muskuloskeletale/rheumatische und dermatologische PNS. Es ist wichtig, an PNS als möglich Ursache von Beschwerden zu denken, da sich viele Patienten mit auf den ersten Blick unspezifischen Symptomen vorstellen, andererseits leiden viele unter Beschwerden, die nicht primär an eine Tumorerkrankung denken lassen. Daher werden PNS häufig verkannt, was zu später Diagnosestellung und gravierenden Komplikationen führen kann. Gleichzeitig besteht die Chance auf eine frühe Diagnose der zugrundeliegenden Tumorerkrankung, wenn diese bisher okkult war.

Literatur

Hiddemann W, Reincke M (2018): Paraneoplastische Syndrome. Internist 59, 113–113

Diagnostik bei Tumorverdacht

Autor: J. von Herder

Da eine Vielzahl von oft unspezifischen Symptomen differenzialdiagnostisch auch an eine Tumorerkrankung denken lassen muss, ist eine rationale und an der Stärke des klinischen Verdachts ausgerichtete Diagnostik notwendig. Der klinische Verdacht ergibt sich aus Anamnese, der körperlichen Untersuchung und/oder einem initialen Laborbefund. Je nachdem den Tumorbefund begründenden Leitbefund/-symptom erfolgt die weitere Stufendiagnostik. Wichtig sind hierbei die adäquate Einschätzung der Vortestwahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung des individuellen Risikos sowie der altersadaptierten Inzidenz und Prävalenz, die Kenntnis der Sensitivität und Spezifität der erhobenen Befunde und die Berücksichtigung relevanter Differenzialdiagnosen. So ist etwa eine Röntgenaufnahme des Thorax ungeeignet, um bei einem langjährigen Raucher mit Hämoptysen ein Lungenkarzinom auszuschließen, oder normale Leukozytenzahlen kein sicheres Ausschlusskriterium für eine Leukämie. Dies gilt insbesondere für die spezifischen Tumormarker (s.u.).

Unabhängig von der Tumorentität ist nahezu immer die histologische Probengewinnung der die Diagnose sichernde Schritt. Im Falle von hämatologischen Systemerkrankungen wie Leukämien oder (ins Blut) ausschwemmenden Lymphomen kann der Nachweis zytomorphologisch aus Blut oder Knochenmark (Knochenmarkhistologie) erbracht werden. Angestrebt wird bei soliden Tumoren eine endoskopisch, sonographisch oder computertomographisch-gesteuert gewonnene (Stanz-) Biopsie des Primärtumors oder einer Metastase. Ob und welche operativen Verfahren dann indiziert sind (vollständige Entfernung des Tumors und/oder einer Metastase), hängt vom Ausbreitungsgrad, der Prognose und den Begleiterkrankungen des Patienten ab.

Die Invasivität der diagnostischen Maßnahmen muss im Verhältnis zur Dringlichkeit des klinischen Verdachts stehen. So sollte etwa die Indikation zur Sonographie des Abdomens großzügig, diejenige zur laparoskopischen oder CT-gesteuerten Biopsie dagegen strenger gestellt werden. Die verantwortungsvolle Entscheidung zur erneuten Histologiegewinnung mit der Frage nach der Anwendbarkeit zielgerichteter Therapien insbesondere im Rezidiv (biologische Tumorevolution) stellt oft eine klinische Herausforderung dar.

Anbei Beispiel für eine wissenschaftliche Annäherung an die Frage nach einem sinnvollen Ausmaß an Diagnostik. Carrier M et al. untersuchten bis 2015 859 Patienten mit unprovozierter Venenthrombose. Bei 3,9 % von diesen wurde im Verlauf des Folgejahres eine Krebserkrankung festgestellt. Die Hinzunahme einer CT-Untersuchung zu einem Basisscreening (Röntgen Thorax plus Laboruntersuchung plus Prostata/Brust/Zervix-Screening) führte dabei nicht zu einer höheren Detektionsrate oder einer früheren Diagnose, sodass die zusätzliche Strahlenbelastung durch die Untersuchung in dieser Situation nicht gerechtfertigt scheint (Carrier M et al. 2015).

Wird eine Tumorerkrankung primär durch eine Metastase symptomatisch, so ist für die weitere Diagnostik die Kenntnis der üblichen Metastasierungswege unterschiedlicher Tumorerkrankungen, sowie das spezifische Krebsrisiko des Patienten (Familienanamnese, Gefahrstoffexposition, Alter etc.) für die Suche nach dem Primarius wichtig. Bringen weder die histologische Aufarbeitung noch Laborbefunde und Bildgebung eine definitive Diagnose, spricht man von einem CUP-Syndrom (Cancer of Unknown Primary).

Bei Verdacht auf Tumorerkrankung zum Einsatz kommenden Verfahren umfassen unter anderem:

Jenseits der zur Tumordiagnose führenden Diagnostik sind weitere Voruntersuchungen vor Therapieeinleitung bedeutsam. Abhängig von den geplanten Therapien muss überprüft werden, ob die Voraussetzungen wie etwa ausreichende Organfunktionen erfüllt sind, um die Therapie mit guter Verträglichkeit und Sicherheit durchführen zu können. Beispiele hierfür sind etwa die Durchführung der transthorakalen Echokardiografie vor dem geplanten Einsatz kardiotoxischer Anthrazykline im Rahmen einer NHL-Therapie oder der Lungenfunktionsprüfung vor dem Einsatz des pneumotoxischen Bleomycins bei M. Hodgkin, sowie der Ausschluss einer akuten Hepatitis oder HIV-Infektion.

Zusätzlich obliegt es dem behandelnden Onkologen, eine globale Einschätzung des Patienten vorzunehmen, ob die geplante Therapie mit adäquater Verträglichkeit bei dem Patienten durchzuführen ist. Hierbei helfen Klassifikation wie die Karnofsky-Performance-Scale (KPS) oder Scoring-Systeme, wie z. B. die Cumulative Illness Rating Scale (CIRS), die in der Therapiewahl bei Patienten mit CLL zum Einsatz kommt. Eine besonders herausfordernde Patientengruppe sind die geriatrischen Patienten, bei denen ein erweitertes geriatrisches Assessment (z. B. G8-Screening Fragebogen, IADL-Fragebogen, Charlson Comorbidity Scale) hilfreich sein kann.

Exkurs Tumormarker: Aufgrund ihrer mangelnden Spezifität und häufig falsch-positiver Befunde im Einsatz bei Screening-Untersuchungen sind Tumormarker nur geeignet als Verlaufsparameter für das Ansprechen auf eine Therapie oder bei der Diagnostik von Rezidiven. Beispiele: Beta-humanes Choriongonadotropin (ß-HCG) bei Keimzelltumoren, Alpha-Fetoprotein (AFP) bei Lebertumoren und Keimzelltumoren, CA19-9 bei Tumoren der Gallenwege und des Pankreas, neuronenspezifische Enolase (NSE) bei kleinzelligem Bronchialkarzinom oder prostataspezifisches Antigen (PSA) beim Prostatakarzinom. Der Einsatz des PSA als Screeninguntersuchung bei Männern über 50 Jahren wird kontrovers diskutiert.

Literatur

Carrier M, Lazo-Langner A, Shivakumar S, Tagalakis V, Zarychanski R, Solymoss S, Routhier N, Douketis J, Danovitch K, Lee AY et al. (2015): Screening for occult cancer in unprovoked venous thromboembolism. New England Journal of Medicine 373.8: 697-704


Tumorklassifikationen & Staging

Autor: Dr. B. Kirchner

Die Klassifikation und das Staging, also die Erkennung der Art des Tumors und dessen Ausbreitungsstadiums, stehen am Beginn jeder onkologischen Therapie. Eine grundsätzliche Unterteilung in solide (epithelial/mesenchymal) und systemische (hämatologische) Tumoren sowie nach Entstehungsort ist üblich. Hinweis über den Entstehungsort gibt die histopathologische Klassifikation, die auf Basis der Morphologie, Immunologie und ggf. Molekularpathologie durch einen Pathologen festgelegt wird ( Tabelle 1).

Epitheliale Tumoren sind für die größte Anzahl von Krebserkrankungen verantwortlich, hier insbesondere Adeno- und Plattenepithelkarzinome.

Herkunft

Bezeichnung

Beispiele häufiger Krebserkrankungen

Solide Tumoren 

Epithel

Karzinom

Brustkrebs, Lungenkrebs, Darmkrebs, Prostatakrebs, Kehlkopfkrebs, Melanom; auch hormonbildende Krebsformen wie Schilddrüsenkrebs oder Nebennierenkrebs

Stütz- und Bindegewebe

Sarkom

Osteosarkom (Knochenkrebs), Fibrosarkom (Bindegewebskrebs), Liposarkom (Fettgewebskrebs), Angiosarkom (Blutgefäßkrebs)

Zentrales Nervensystem

Hirneigene Tumoren

Gliome (z. B. Glioblastom, Astrozytom) und Tumoren der Nerven und der Hirnhäute

Sonderformen

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Neuroendokrine Tumoren, Keimzelltumore (z. B. Hodenkrebs); Metastasen bei unbekanntem Primärtumor (CUP-Syndrom)

Hämatologische Tumoren

Blutbildendes und lymphatisches Gewebe

Leukämie

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Akute myeloische Leukämie (AML), chronische lymphatische Leukämie (CLL)

Lymphatisches Gewebe

Lymphom

Hodgkin-Lymphom und Non-Hodgkin-Lymphome, z. B. diffus großzelliges Lymphom oder follikuläres Lymphom

Plasmazellen

Plasmazellerkrankung

Multiples Myelom („Plasmozytom“)

Tabelle 1: Histopathologische Einteilung von Krebserkrankungen. Es sind nur die wichtigsten Krebsformen aufgeführt. Gutartige Tumoren sind nicht berücksichtigt. Aus Alt-Epping B, Fuxius S, Wedding U (Hrsg.): Onkologie für die Palliativmedizin. Göttingen University Press, Göttingen 2015.

Bei der Erstdiagnose einer Tumorerkrankung kann diese noch lokal begrenzt sein oder sich bereits über Lymph- und Blutbahnen ausgebreitet haben. Um das Ausmaß der Tumorausbreitung festzustellen, wird dem Therapiebeginn die “Staging”-Diagnostik vorangestellt. Hierzu dienen Blutuntersuchungen, pathologisches Staging (nach TNM; i.d.R. nach einer Operation und nachfolgender Untersuchung von Primärtumor, umgebenden Gewebe und drainierenden Lymphknoten; s.u.), bildgebende Verfahren wie Röntgen, Sonographie, Magnetresonanztomographie (MRT), Computertomographie (CT) und Positronenemissionstomographie (PET) oder PET-CT. Ein höheres Tumorstadium geht meist mit einer schlechteren Prognose einher. Auf dieser Grundlage erfolgt die Stadieneinteilung, bei soliden Tumoren meist nach TNM/UICC (s.u.). Das so festgelegte Stadium beschreibt die Tumorausdehnung und ist maßgeblich für Therapieplanung und Prognose. Weitere wesentliche prognostische Faktoren sind das Patientenalter sowie Vorerkrankungen und Allgemeinzustand des Patienten. In der Onkologie wird dieser meist über den Karnofsky-Index/ECOG-Score evaluiert (s.o.).

Der Begriff TNM-Stadium setzt sich aus folgenden Kategorien zusammen: T=Tumor, N=Nodus (Lymphknoten), M=Metastasen. Den einzelnen Buchstaben der Kategorien können weitere Buchstaben vorangestellt werden (Präfixe), um zu verdeutlichen, mit welcher Methode das Stadium bzw. die jeweilige Kategorie festgelegt wurde: p=pathologisches Stadium, c=klinisches Stadium, r=Rezidiv, u=Ultraschalldiagnostik, y=Zustand nach Therapie, a=Autopsie. Zudem können Buchstaben hintangestellt werden (Suffixe): m=multiple Tumoren im gleichen Gebiet, is=Carcinoma in situ, cy=zytologisch.

Die TNM-Klassifikation wird für die meisten soliden Tumoren verwendet und regelmäßig aktualisiert. Die Festlegung des initialen Stadiums wird nicht verändert, sollte im Verlauf ein Rezidiv auftreten. Es wird dann zusätzlich der Zeitpunkt des Rezidivs angegeben, z. B. Kolonkarzinom Stadium UICC III ED 12/2013, Lebermetasten 12/2014 (Alt-Epping et al. 2015)

Die TNM-Klassifikation am Beispiel des Mammakarzinoms

Tumorgröße:

T0 - Kein Primärtumor gefunden

Tis - Carcinoma in situ

T1 - < 2 cm T1 - bis 0,1 cm  

T1a - 0,1 - 0,5 cm

T1b - 0.5 - 1 cm

T1c - 1 - 2 cm

T2 - 2 - 5 cm

T3 - > 5 cm

T4 - Infiltration der Brustwand bzw. der Haut T4a - Brustwand

T4b - Ulzerationen und Ödeme der Haut

T4c - Kombination aus 4a and 4b

T4d - Inflammatorisches Mammakarzinom (Sonderform)

Lymphknoten:

N0 - Kein Lymphknotenbefall

N1 - Befall eines axillären Lymphknotens, verschieblich

N2a - Befall eines axillären Lymphknotens, unverschieblich

N2b - Befall eines Lymphknotens an der A. thoracica interna

N3 - Befall eines infra- oder supraklavikulären Lymphknotens

Fernmetastasen:

M0 - Nein

M1 - Ja

Veneninvasion:

V0 - nicht nachweisbar

V1 - mikroskopisch

V2 - makroskopisch erkennbar

Lymphgefäßinvasion:

L0 - keine Tumorzellen in Lymphbahnen nachweisbar

L1 - Tumorzellen in Lymphbahnen der Tumorregion auffindbar

Wichtige Präfixe:

c - nicht nachweisbar

p - mikroskopisch

yp - makroskopisch erkennbar

Wichtige Zusätze:

R0-R2, RX: Die R-Klassifikation gibt an, ob und wenn ja: inwieweit ein Tumorrest nach einer therapeutischen Maßnahme besteht

Die UICC-Klassifikation am Beispiel des Mammakarzinoms

Stadium

Primärtumor

Lymphknotenstatus

Fernmetastasen

0

Tis

N0 (keine)

M0

I

T1mic

N0

M0

T1a (1 – 5 mm)

N0

M0

T1b (6 – 10 mm)

N0

M0

T1c (11 – 20 mm)

N0

M0

IIA

T0, T1mic, T1

N1 (1-3 LK in der Axilla und/oder der ipsilat. Mammaria-Interna-

Region)

M0

T2 (21- 50 mm)

N0

M0

IIB

T2

N1

M0

T3 (≥51 mm)

N0

M0

IIIA

T0, T1mic, T1, T2

N2 (4-9 LK in der Axilla)

M0

T3

N1 

M0

IIIB

T4 (Infiltration der Brustwand und/oder der Haut, und/oder ipsilaterale Satellitenmetastasen und/oder inflammatorisches Mammakarzinom)

N0-2

M0

IIIC

alle T

N3 (≥10 LK n der Axilla und/oder Befall infra- oder supraklavikulärer LK)

M0

IV

alle T

alle N

M1 (Metastasen außerhalb der Brust und der benachbarten LK-Regionen 

Tabelle 2: Klassifikation der Tumorstadien (UICC). Aus Onkopedia 01/2018

Die TNM-Klassifikation ist eine reine pathoanatomische Beschreibung der Tumorausdehnung. Darauf aufbauende Systeme wie die der UICC (union internationale contre le cancre) gruppieren verschieden TNM Ausbreitungsstadien so, dass prognostisch unterscheidbare Gruppen entstehen. Die malignen hämatologischen Erkrankungen sind aufgrund ihrer Art meist von Beginn an systemische Erkrankungen, sodass keine pathoanatomischen Stadieneinteilungen existieren (z. B. akute Leukämien, myeloproliferative Neoplasien), denn alle Patienten hätten definitionsgemäß bereits ein Stadium IV.

Maligne Lymphome werden nach der Ann-Arbor in vier Stadien eingeteilt, jeweils mit dem Zusatz A, wenn keine, und B, wenn B-Symptome vorliegen. Eine Ausnahme bildet hierbei die chronisch lymphatische Leukämie, welche, obwohl auch sie ein malignes Lymphom ist, nach der Binet oder der RAI-Klassifikationen einem Stadium zugeordnet wird.

Die Einteilung des Schweregrades, sowie die Indikation zur Therapieeinleitung beim multiplen Myelom erfolgt anhand der CRAB-Kriterien (C=Hyperkalzämie, R=Niereninsuffizienz, A=Anämie, B=Knochenläsionen).

Die Prognosebeurteilung ist ein wesentlicher Baustein im Rahmen der Therapieentscheidung. Die o.g. Klassifikationssystem werden heutzutage ganz wesentlich ergänzt durch tumorbiologische und molekulargenetische Analysen, die sowohl prognostischen wie prädiktiven Wert haben können. Bei den Lungenkarzinomen und den Hämoblastosen sind die genetischen Zusatzinformationen bereits heute unverzichtbar, d.h. eine Therapieentscheidung kann ohne diese Informationen nicht mehr getroffen werden.

Literatur

Onkopedia (Stand 05/2018)

Alt-Epping B, Fuxius S, Wedding U (Hrsg.): Onkologie für die Palliativmedizin. Göttingen University Press, Göttingen 2015.


Therapieziele und -prinzipien

Autor: Dr. univ. med. H. Boyadzhiev

Wichtige Kenntnisse für die Therapie-Planung

Gesicherte Diagnose, meistens histologisch oder zytologisch (insb. Leukämien):

Stadium der Erkrankung („Staging“), zumeist  entsprechend der Ausbreitung:

Erkrankungs-spezifische Faktoren:

Molekulare Merkmale:

Therapieprinzipien anhand der Therapieziele

Kuratives Behandlungsziel: Unter „Kuration“ (Heilung) versteht man eine normale, von der behandelten Grunderkrankung unabhängige Lebenserwartung. Potentielle Heilungen, z. B. maligne Lymphome und M. Hodgkin, ALL im Kindesalter, Hodenkarzinome, Chorionkarzinome. Die Heilungsrate wird für die meisten Tumorkategorien durch das erreichte Plateau des krankheitsfreien Überlebens definiert.

Operation mit oder ohne Strahlentherapie: Eine primäre Operation mit kurativer Zielsetzung, radikaler Tumorentfernung (R0- Resektion) mit oder ohne postoperativer Bestrahlung sollte praktisch immer zu einem möglichst frühen Zeitpunkt durchgeführt werden. Die Voraussetzungen hierzu sind bei etwa der Hälfte alle neu diagnostizierten Tumoren gegeben.

Neoadjuvante Therapie (= präoperative Therapie, auch Induktionschemotherapie genannt): Hat das Ziel, die zum Diagnosezeitpunkt bestehende Tumorlast zu minimieren („Downstaging“ oder „Debulking“). Dies kann zu einer Erleichterung des kurativ-operativen Vorgehens unter Berücksichtigung von Organ- und Funktionserhaltung führen bzw. eine Operation überhaupt erst möglich machen.

Adjuvante Therapie: Nach Durchführung einer potentiell kurativen lokalen Tumortherapie und bei klinischer Tumorfreiheit soll eine adjuvante Chemotherapie Rezidive oder Metastasen verhindern, in der Regel Chemo- oder Hormontherapie.

Erhaltungstherapie: Hierbei wird über einen längeren Zeitraum, entweder permanent oder zyklisch, eine üblicherweise gut verträgliche Dosis eines Chemotherapeutikums, eines Immuntherapeutikums oder einer anderweitig wirksamen antineoplastischen Substanz verabreicht. Ziel dieser Behandlung ist nicht unbedingt die Erhöhung der Heilungsrate, sondern in vielen Fällen die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens.

Salvage-Therapie: Erneute Therapie bei Patienten mit Tumorrezidiv.

Nicht kurative Behandlung: Insbesondere bei älteren oder biologisch wenig belastbaren Patienten kann eine nicht kurative Behandlung mit einer besseren Prognose vergesellschaftet sein als ein Verfahren mit zwar kurativer Zielsetzung, aber höherer therapieassoziierter Mortalität. In der Entscheidung für oder gegen eine kurative bzw. nicht kurative Behandlung sollten in der Regel einfließen:

Palliative Therapie: Erzielt Verminderung des Tumorleidens bzw. Verbesserung der Lebensqualität ohne Aussicht auf Heilung.

Supportive Therapie: z. B. Begleitmaßnahmen gegen die Nebenwirkungen einer Chemo-oder Strahlentherapie, wie die Gabe von Antiemetika, Antibiotika, Bluttransfusion bei Anämie oder parenterale Ernährung bei Tumorkachexie: Die bestmögliche Supportivtherapie unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Möglichkeiten wird als „best supportive care“ (BSC) bezeichnet.

Symptomatische Therapie: Teilgebiet der Supportivtherapie. Eine symptomatische Behandlung soll tumorbedingte Beschwerden lindern, sie hat jedoch keinen Einfluss auf den Verlauf des Tumorleidens. Beispiele sind die Gabe von Schmerzmitteln, fiebersenkenden Medikamenten oder Hustenblockern.

Individualisierte Therapieansätze: Durch neue molekulare Therapiemöglichkeiten wird die Systemtherapie für die Patienten individuell gestaltet und ausgewählt. Diese vor Therapiebeginn bestimmten molekularen Marker eines Tumors werden als Biomarker bezeichnet. Teilweise kann anhand solcher Biomarker auch die Wirkungslosigkeit einer entsprechenden Therapie vorausgesagt werden.

Phasen der Chemotherapie

Die folgenden Begriffe werden insbesondere bei hämatologischen Neoplasien angewendet:

Induktionstherapie: Intensive Zytostatikatherapie bis zum Erreichen einer kompletten Remission (= Verschwinden aller Tumorparameter).

Konsolidierungstherapie: Dient der Stabilisierung einer Remission

Erhaltungstherapie: Soll die Dauer der Remission verlängern. Entweder in Form einer Dauertherapie oder in Form intermittierender Therapiezyklen (Reinduktion).

Literatur

Herold G (Hrsg.): Innere Medizin 2013. Verlag Gerd Herold, Köln 2013

Kreuzer KA, Beyer J (Hrsg.): Hämatologie und Onkologie. 1. Auflage; Thieme Verlag, Stuttgart 2016

Schleucher N, Barth J, Krämer I (Hrsg.): Vademecum für die Onkologie.  2. Auflage; Zuckschwerdt Verlag, Germering 2010


Verlaufs- und Abschlussuntersuchungen, Nachsorge

Autor: D. W. Sulaiman

Verlaufs- und Abschlussuntersuchung

Sollten sich die Patienten zusammen mit den behandelnden Ärzten für eine Therapie der Krebserkrankung (z. B. in Form von Chemotherapeutika, Immuntherapie, Hormontherapie oder Strahlentherapie) entscheiden, müssen bestimmte Untersuchungen, sog. Staging-Untersuchungen, in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden. Diese werden sowohl unter der Therapie (Zwischenstaging), nach Abschluss der Therapie (Abschlussstaging), als auch im Rahmen der Nachsorge. Diese Untersuchungen haben folgende Ziele:

  1. Beurteilung des Therapieerfolges

  1. Erkennung der Therapie-bedingten Toxizität:

Nachsorge

Nach Erreichen einer kompletten Remission (im Falle einer kurativen Intention), oder nach Erreichen eines maximalen Ansprechens unter der Therapie (im Rahmen einer palliativen Intention), erfolgt der Übergang in die Nachsorge. Ziele der Nachsorgeuntersuchungen sind:

Die Nachsorgeuntersuchung kann in der Ambulanz der Klinik, wo die Patienten die Behandlung bekommen, stattfinden. Alternativ kann auch ein niedergelassener Facharzt die Nachsorge koordinieren, der in der Nachbetreuung von Krebspatienten erfahren ist. Die Entscheidung hierfür hängt von mehreren Faktoren ab. Bei Tumorerkrankung mit kurativem Behandlungsziel, oder wenn ein Rezidiv der Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, sollte die Nachsorge in einem Krebs-spezialisierten Zentren erfolgen.

Je nach Krebsart und dem initialen Ziel der abgeschlossenen Therapie werden die Nachsorgeuntersuchungen initial in kürzeren Abständen durchgeführt. Nach und nach können die Abstände, bei fehlendem Zeichen eines Rückfalls oder Hinweise auf Spättoxizität, verlängert werden (z. B. Nachsorge bei Patienten mit Bronchialkarzinom nach kurativem Therapieansatz: alle 3 Monate im ersten Jahr nach Therapieende, danach alle 6 Monate im 2. Jahr, danach alle 12 Monate).

Grundsätzlich besteht die Nachsorge aus Anamnese, körperlicher Untersuchung, Laboruntersuchung und weiteren zusätzlichen Untersuchungen (z. B. Bildgebung, Organfunktionsuntersuchungen, Liquorpunktion, Knochenmarkpunktion), nach Leitlinien-empfehlungen, klinischem Befinden der Patienten sowie nach Beurteilung der behandelnden Ärzte.

Als Grundlage für die Nachsorgetermine und die notwendigen Untersuchungen gibt es medizinisch-wissenschaftliche Leitlinien zu den einzelnen Krebsarten. Diese Empfehlungen können Ärzte dann auf die individuellen Risiken und Bedürfnisse der Patienten anpassen.


Rezidiv und Metastasen

Autorin: Dr. univ. med. J. Petroff

Tumorrezidiv

Erneute (Tumor)-Manifestation nach Erreichen einer kompletten Remission. Nach zeitlichen Ablauf unterscheidet man ein Frührezidiv (Wochen,  Monate) von einem Spätrezidiv (Jahre). Nach Lokalisation unterscheidet man ein Lokalrezidiv (gleicher Ort wie Primärbefall) von einem Fernrezidiv (Erkrankungsmanifestation an anderen Organen/ Lokalisationen) Diagnostik und Therapie:

Metastasen

Literatur

Pfeifer B, Preiß J, Unger C (Hrsg.): Onkologie integrativ: Konventionelle und komplementäre Therapie. Elsevier, Urban & Fischer, München 2006

Urban & Fischer Verlag (Hrsg.): Roche Lexikon Medizin. 5. Auflage; Elsevier, Urban & Fischer,  München 2003


Besondere Patientengruppen

Autorin: Dr. R. Overlack

Kinderonkologie

In Niedersachsen erkranken im Mittel 172 Kinder unter 15 Jahren pro Jahr an Krebs, davon 58 an einer Leukämie, ermittelt aus Zahlen von 2007 bis 2016 (Krebsregister 2017). Die zweithäufigste Todesursache im Kindesalter ist nach Unfällen eine hämatologisch-onkologische Erkrankung. Bei einer unklaren Schwellung oder bei anhaltenden Schmerzen muss, auch bei milder Symptomatik, eine Tumorabklärung erfolgen. Häufiger als bei Erwachsenen liegen genetische Faktoren vor; so ist eine Trisomie 21 mit einem erhöhten AML-Risiko vergesellschaftet. Das Kinderkrebsregister beschreibt die Häufigkeit verschiedener maligner Tumore im Kindesalter (Abbildung 2).

 

Abbildung 2: Relative Häufigkeiten der an das Deutsche Krebsregister gemeldeten Erkrankungsfälle nach Diagnose-Hauptgruppen. Basierend auf insgesamt 16.964 unter 18-jährigen Patienten (2009-2016). Quelle: Jahresbericht 2017, Kinderkrebsregister

Das Therapiekonzept im Kindesalter ist in aller Regel ein kuratives: „82 % der PatientInnen < 15 Jahre überleben derzeit eine Krebserkrankung mindestens 15 Jahre“ (Krebsregister 2017).  Durch eine konsequente Therapieoptimierung im Rahmen von Studien konnten insbesondere bei den hämatologischen Erkrankungen im Kindesalter in den letzten Jahrzehnten deutliche Verbesserungen der Prognose erzielt werden (90%-Überlebensrate bei ALL der unter 15-Jährigen, Krebsregister 2017). Strahlentherapie und Chemotherapie bergen jedoch das Risiko einer Entwicklung von Zweitneoplasien: „8,4 % der PatientInnen unter 15 Jahren erkranken innerhalb von 30 Jahren erneut an Krebs“ (Krebsregister 2017), weshalb regelmäßige Nachsorge-Untersuchungen erfolgen sollen. Beim Wechsel der jungen PatientInnen aus der Kinderarztpraxis zur allgemeinmedizinischen Versorgung oder bei einem Ortswechsel sollten die PatientInnen z. B. mittels eines Nachsorge-Passes an die Nachsorge erinnert werden. Hinzu kommen sozial-psychologische Beratungen. Ein weiterer Aspekt der Nachsorge umfasst das Monitoring von Spätfolgen operativer Eingriffe, von Chemo- u./o. Strahlentherapie, wie z. B. Nierenschäden, Wachstumsstörungen, die Entwicklung einer Herzinsuffizienz etc. Das Nebenwirkungsspektrum der Therapien ist dem im Erwachsenenalter ähnlich. Die Behandlung erfolgt in pädiatrischen Zentren; die allogene Stammzelltransplantation von Kindern erfolgt jedoch auch teilweise in Transplantations-zentren gemeinsam mit Erwachsenen (z. B. Universitätsklinik Münster).

Literatur zum Thema Kinderonkologie

Kinderkrebsregister, Jahresbericht 2017

Krebserkrankungen bei Schwangeren

Die wichtigste Message ist hier: Die Diagnostik und Überweisung an ein onkologisches Zentrum darf nicht verzögert werden. In den Köpfen vieler betroffener Frauen, aber auch vieler ärztlicher KollegInnen wird das ethische Dilemma – vorrangige Behandlung der Frau oder Schutz des ungeborenen Lebens – dahin gehend interpretiert, dass die Diagnostik verzögert wird. Diese Entscheidung birgt ein letales Risiko für die betroffenen Frauen. Dabei gilt: eine adäquate Diagnostik muss bei Tumorverdacht ohne Zeitverzögerung erfolgen (Probegewinnung zwecks histologischer Sicherung, Staging z. B. mit Ganzkörper-MRT statt CT). Im Anschluss müssen erfahrene Onkologen/onkologische Gynäkologen im Gespräch mit der erkrankten Frau ein individuelles Konzept der Behandlung erstellen, bzw. die Dringlichkeit der Therapie ausloten. Eine psychoonkolgische Betreuung ist in jedem Fall sinnvoll, da die Frauen unter einem enormen Druck stehen.

„Zervixkarzinom, Mammakarzinom, Ovarialkarzinom, maligne Lymphome, Melanom, ZNS-Tumoren und Leukämien sind die häufigsten malignen Erkrankungen in der Gravidität.“ (Fricke und Höffken 2002). Von den genannten Entitäten hat einzig das Zervixkarzinom in der Schwangerschaft eine erhöhte Inzidenz.

In Abhängigkeit der Erkrankung bestehen unterschiedliche Risiken für Mutter und ungeborenes Kind. Die Diagnosestellung einer AML in der Schwangerschaft erlaubt keine Behandlungsverzögerung. Bei Erkrankungsbeginn im ersten Trimenon ist der Schwangerschaftsabbruch aufgrund des teratogenen Potentials von z. B. Cytarabin indiziert. Lymphom-Erkrankungen dagegen ermöglichen einen gewissen zeitlichen Spielraum: wenn keine bulky disease vorliegt oder andere Merkmale eines aggressiven Verlaufs, kann der Therapiestart bis ins 2. Trimenon hinausgezögert werden bzw. in der Spätschwangerschaft bis nach Sectio. Die Behandlung des Mammakarzinoms in der Schwangerschaft sollte weitestgehend den Standardtherapien angenähert werden: Nach dem 1. Trimenon gilt eine neoadjuvante Chemotherapie sowie eine Brusterhaltende OP oder Mastektomie als sicher durchführbar (Oberhoff et al.  2002, Amant et al. 2012). Die Sectio erfolgt z. B. in der 35.-37. Schwangerschaftswoche. Erst im Anschluss darf bei HER2-positiven Tumoren Trastuzumab eingesetzt werden; es schädigt die Nieren des Fötus. Auch die postoperative Radiatio wird oft bis nach Sectio hinausgezögert.

In der Literatur finden sich widersprüchliche Angaben über die möglichen negativen Effekte der Chemotherapie auf den Föten. Amant et al. zeigte, dass das kardiale, kognitive und generelle Outcome der Kinder, die pränatal eine Krebserkrankung der Mutter mit oder ohne Behandlung miterleben, nicht beeinträchtigt ist (Amant et al. 2015). Andere Autoren beschreiben jedoch nach Chemotherapie in der Schwangerschaft (besonders nach Lymphom-/Leukämie-Therapien) im Mittel ein niedrigeres Geburtsgewicht der Kinder mit einer erhöhten Komplikationsrate (Van Calsteren et al. 2010). Karzinogene Effekte der Chemo-therapeutika in der Schwangerschaft mit einem entsprechend höheren Tumorrisiko der Kinder werden postuliert (Gajjar et al. 2012); valide Daten liegen hier jedoch nicht vor.  

Das ethische Dilemma bleibt: wann muss einer Frau zum Schwangerschaftsabbruch geraten werden? Ist in der individuellen Situation eine Entscheidung für das Kind möglich? Wieviel Einbußen in der Prognose der Mutter z. B. durch Therapieverzögerung oder alternative Therapeutika sind tolerabel? Welche Therapiestrategien sind für das ungeborene Kind am sichersten?

Literatur zum Thema Krebserkrankungen bei Schwangeren

Amant F, Loibl S, Neven P, Van Calsteren K  (2012): Malignancies in pregnancy. Lancet 379, 570-579

Amant F, Vandenbroucke T, Verheecke M, Fumagalli M, Halaska MJ, Boere I, Han S, Gziri MM, Peccatori F, Rob L et al. (2015): Pediatric outcome after maternal cancer diagnosed during pregnancy. N Engl J Med 373, 1824-34

Fricke HJ, Höffken K (2002): Hämatopoetische und lymphatische Systemerkrankungen sowie solide Tumoren in der Schwangerschaft. Der Onkologe 8, 1333-1340

Gajjar K, Martin-Hirsch PL, Martin FL (2012): Treatment of breast cancer during pregnancy. The Lancet Oncology 13, e460

Oberhoff C, Kimming R, Kagan O (2002): Mammakarzinom in der Schwangerschaft. Der Onkologe 8, 1309-1317

Van Calsteren K, Heyns LDe Smet FVan Eycken LGziri MMVan Gemert WHalaska MVergote IOttevanger NAmant F (2010): Cancer during pregnancy: an analysis of 215 patients emphasizing the obstetrical and the neonatal outcomes. JCO  28, 683-9

Onkologie im Alter

Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz maligner Erkrankungen (mittleres Erkrankungsalter einer Krebserkrankung ca. 70 Jahre), aber auch die Prävalenz nicht-onkologischer Erkrankungen. Wichtig ist daher die Erfassung der Komorbiditäten des alten Tumorpatienten und die Klärung der Frage, welche Erkrankung die Prognose bestimmt. Komorbiditäten entscheiden mit über Therapie-Verträglichkeit und damit über Therapieziel und -form. Die Anwendung von Scores, z. B. der Hematopoietic Cell Transplantation Comorbidity Index (HCT-CI), ermöglicht die Eingruppierung der Patienten aufgrund ihrer Begleiterkrankungen in Risikogruppen. Die Letalität nach intensiver Induktionschemotherapie bei AML kann anhand des HCT-CI beschrieben werden (Giles et al. 2007), sodass prätherapeutisch eine Risikoabschätzung möglich ist.

Die Therapieentscheidung in der geriatrischen Onkologie basiert zum einen auf Tumorstadium, individuellen Therapieziel (Kuration oder palliatives Konzept) und Tumorbiologie, zum anderen auf einer Abschätzung der Funktionalität des alten und sehr alten Patienten. Die Toxizität verschiedener chemotherapeutischer Therapien kann im Alter stärker ausgeprägt sein. Eine klare Prognose, bei welchem Patienten der Nutzen einer Therapie überwiegt, und bei welchem Patienten die Toxizität und/oder septische Komplikationen den Patienten gefährden und den Abbruch der Therapie bedingen, ist im klinischen Alltag oft schwierig. Ein geriatrisches Assessment kann eine Einschätzung des Patienten ermöglichen, wird in Leitlinien empfohlen, ist aber nicht flächenhaft etabliert. Ein solches geriatrisches Assessment arbeitet mit Testbatterien, die neben Krankheits-assoziierten Problemen, geriatrische Syndrome erfassen, die nicht klar einer Erkrankung zuzuordnen sind, dennoch aber ihren Teil zu Prognose und Therapiefähigkeit beitragen. Zu den geriatrischen Syndromen zählen Immobilität, vermehrte Sturzereignisse, kognitive Defizite, Inkontinenz, frailty (Gebrechlichkeit), Polypharmazie, Depression und andere. Üblich im klinischen Alltag ist eine Einschätzung im Sinne eines Screenings, das den Allgemeinzustand, aber auch die Alltagskompetenz des Patienten einschätzt. Das onkologische Screening unterteilt in frail, vulnerabel und fit (Horgan et al. 2010).

Die Herausforderung in der Hämatologie liegt darin, zu unterscheiden, ob eine Einschränkung des Allgemeinzustands beim alten Patienten im Sinne von Gebrechlichkeit (frailty) eine Therapie unmöglich macht, oder ob sie bedingt durch hohe Tumorlast oder B-Symptomatik eine Therapieindikation darstellt; nur dann ist eine Besserung der klinischen Situation durch Therapie wahrscheinlich. Beispiel: Sarkopenie im Rahmen des Alterungsprozesses versus Tumorkachexie. Im onkologischen Kontext unterscheiden Kliniker anhand einfacher Kriterien der Alltagskompetenz in drei Kategorien: go go (kein Argument gegen Standardtherapie), slow go (adaptierte Standardtherapie), no go (negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis: keine onkologische Standardtherapie) (Balducci  et al. 2000).

Biomarker, die neben dem geriatrischen Assessment eine Therapiefähigkeit des alten Patienten und/oder ein Ansprechen auf Therapie anzeigen könnten, sind nicht etabliert.

Bezüglich altersspezifischer Toxizitäten ist die Studienlage dünn; das höhere Lebensalter ist jedoch per se kein klinisch relevantes Risiko für eine Therapie mit Chemotherapeutika. Wichtig ist jedoch eine Abschätzung der Organfunktionen. Insbesondere die Anpassung der Zytostatika-Dosis an die Nierenfunktion ist onkologischer Alltag (Kreatinin-Clearance nach Cockroft und Gault, Kreatinin-Clearance nach Sammelurin). Bei häufig geringer Muskelmasse des geriatrischen Patienten erlaubt das Kreatinin allein keine Aussage über die Nierenfunktion. Bei häufig zahlreichen Medikamenten des multimorbiden geriatrischen Patienten gilt es Interaktionen auch mit den gewählten Zytostatika nicht zu übersehen.

Die Prognose der Krebserkrankung bestimmt meist die Therapieentscheidung. Es folgen drei Beispiele:

Literatur zum Thema Onkologie im Alter

Balducci L, Extermann M (2000): Management of cancer in the older person: a practical approach. Oncologist 5, 224-237

Ebert M, Härtel N, Wedding U (Hrsg.): Geriatrische Onkologie. Springer Verlag, Berlin 2018

Fritsch S, Buske CWörmann BWedding UHiddemann WSpiekermann K (2007): Therapy of acute myeloid leukemia (AML) for medically non-fit patients. Med Klin (Munich), 102(4), 324-329

Giles FJ, Borthakur G, Ravandi F, Faderl S, Verstovsek S, Thomas D, Wierda W, Ferrajoli A, Kornblau S, Pierce S et al. (2007): The haematopoietic cell transplantation comorbidity index score is predictive of early death and survival in patients over 60 years of age receiving induction therapy for acute myeloid leukaemia. Cr J Haematol 136(4), 624-627

Groupe d’Etude des Lymphomes de l’Adulte (GELA) Investigators (2011): Attenuated immunochemotherapy regime (R-mini-CHOP) in elderly patients older than 80 years with diffuse large B-cell lymphom: a multicentre, single-arm, phase 2 trial. Lancet Oncol 12(5), 460-468

Horgan AM, Knox JJ, Alibhai SM (2010): The comprehensive geriatric assessment in oncology: promises, pitfalls and practicalities. Hosp Pract 38, 128-136


Klinische Studien

Autoren: Dr. H. Treiber, PD Dr. F. Braulke

Einleitung – warum klinische Studien?

Die Onkologie ist aus vielen Gründen ein hochspannendes und ärztlich beglückendes Fach. Einer dieser Gründe ist die beständige Weiterentwicklung der Behandlungsmöglichkeiten. Gerade in den letzten Jahren wurde eine Vielzahl neuartiger Behandlungsmethoden etabliert, sodass man die Hämatologie und Onkologie sicherlich zu den innovativsten Fachgebieten überhaupt zählen kann. Alle diese neuen Behandlungen mussten durch klinische Studien etabliert werden, an denen zum Teil viele tausende Patienten teilgenommen haben. Die Arbeit mit Studienpatienten gehört für jeden Onkologen zum beruflichen Handwerkszeug, natürlich unter anderem, weil man jedem Patienten die bestmögliche Therapie anbieten möchte.

Sind klinische Studien aber tatsächlich relevant? Nichts beantwortet diese Frage besser als ein Bild der Deutschen Studiengruppe für Hodgkin Lymphome der Universität Köln, nämlich die grafische Darstellung der Überlebenskurve von Patienten mit Morbus Hodgkin im fortgeschrittenen Stadium, einer schnell und tödlich verlaufenden Krebserkrankung. Hier ist es durch die Bemühungen der Deutschen Hodgkin Studiengruppe gelungen, über Jahrzehnte konsequent Patienten in Studien zu behandeln und neue (internationale) Standards zu etablieren. Das Ergebnis ist eine > 90%ige Heilungsrate einer vormals unaufhaltsam tödlichen Erkrankung, die vornehmlich junge Patienten betrifft!

https://www.ghsg.org/tl_files/content/images/hodgkin/prognose.png

Abbildung 3: Entwicklung der Therapieschemata bei M. Hodgkin. Aus der Abbildung wird deutlich, dass klinische Studien fundamental zur Medizin, aber insbesondere zur Onkologie gehören. Quelle: https://www.ghsg.org/tl_files/content/images/hodgkin/prognose.png

Argumente für die Durchführung klinischer Studien

Studienarten in der Onkologie

Zunächst kann man Beobachtungsstudien und Interventionsstudien unterscheiden. Beobachtungsstudien sind in vielen Fragestellungen hilfreich, wichtig und letztlich selbsterklärend: der Krankheits- oder Therapieverlauf wird beobachtet und dokumentiert.

In Interventionsstudien wird mindestens eine Intervention mit einer anderen verglichen (auch mehrere Vergleiche sind möglich). Üblich sind Placebo-kontrollierte Studien. Dieser Placebo-Effekt kann noch verstärkt werden, wenn Patient oder Behandler wissen, dass sie gerade mit dem richtigen Medikament (Verum) behandelt werden bzw. es verabreichen, und nicht eben nur Zuckerstückchen. Aus diesem Grund wird weder dem Patienten noch dem Behandler verraten, ob er nun das Verum oder das Placebo verwendet. Man sagt, beide sind verblindet, die Studie ist also doppelblind durchgeführt.  Das ist heute der Goldstandard: eine doppelblinde, placebokontrollierte Studie. Findet diese Studie nur an einer Institution statt, handelt es sich um eine monozentrische Studie. Die Patientenzahlen, die für valide statistische Aussagen notwendig sind, können jedoch selten an einer einzelnen Institution erreicht werden, weshalb man die Studie an weiteren Institutionen (z. B. auch onkologischen Praxen!) anbietet. Eine solche Studie nennt man dann multizentrisch.

Natürlich kann man nicht einfach eine neue Behandlungsform ohne weiteres an Patienten ausprobieren und das dann mit dem bisherigen Standard vergleichen. Bis es soweit ist, sind eine Vielzahl an Vorarbeiten und entsprechend Zeit und Geld notwendig – und die meisten neu entwickelten Medikamente erreichen diesen Entwicklungsstand nie, obwohl viel Zeit und Geld in ihre Entwicklung geflossen ist. Ein Beispiel sind hier zahlreiche Medikamente gegen Morbus Alzheimer, obschon dieser so häufig ist und so erhebliche Auswirkungen auf das Individuum, aber auch die pflegenden Angehörigen und letztlich die alternde Gesellschaft hat.

Die gerade beschriebene große Vergleichsstudie einer Behandlungsform gegen den bisherigen Standard nennt man Phase-III-Studie. Vorher sind frühe Studienphasen nötig (first-in-human, Phase 0, Phase I, Phase-II-Studien), um die optimal und maximal verträgliche Dosis zu finden, Pharmakokinetik und Pharmakodynamik zu untersuchen, und Nebenwirkungen zu erkennen. In weiteren Studienphasen soll daraufhin  belegt werden, dass das Therapiekonzept funktioniert: proof of concept sowie Dosisfindung in Phase II. Erst dann kann die groß angelegte Phase-III-Studie erfolgen, die den Nachweis der signifikant besseren Wirksamkeit erbringen und damit auch das bestehende Therapiekonzept ablösen kann. Nicht wenige Interventionen, die in Phase-II-Studien an wenigen ausgewählten Probanden erfolgreich waren, scheitern hier jedoch, weshalb nicht jeder erfolgreichen Phase-II-Studie immer auch eine große Phase-III-Studie folgt. Phase-III-Studien kosten insbesondere viel Arbeit (die anderen Studien auch), aber vor allem auch viel Geld, um u.a. die regulatorischen Behördenauflagen zu wahren.

Klinische Studien in der Onkologie dienen vor allem der Qualitätssicherung in der Behandlung, da die Kontrolle der Diagnostik und der Therapie durch externe Experten erfolgt. Eine unabhängige, zusätzliche Beurteilung der Behandlung ermöglicht uns und unseren Patienten somit zusätzliche Sicherheit in der Therapie ihrer schweren und lebensbedrohlichen Erkrankungen. Vor allem aber soll die Studienbehandlung unserer Patienten dazu beitragen, etablierte Behandlungsverfahren zu verbessern (sog. Phase III Studie: Vergleich eines etablierten Standards mit einer – möglicherweise – besseren Therapie) oder neue Medikamente bzw. Behandlungsverfahren zu etablieren (sog. Phase I und Phase II Studien). Die Durchführung aller Studien erfolgt nach der Deklaration von Helsinki (Hellmann et al. 2014) und richtet sich nach den Regeln der guten klinischen Praxis (EMEA 2006: Guideline for Good Clinical Practice). Die international gültigen Standards in Studien, die im Rahmen einer medizinischen Behandlung von Patienten durchgeführt werden, werden in Deutschland durch das Arzneimittelgesetz genau geregelt.

Literatur

Hellmann F, Verdi M, Schlemper Junior BR, Caponi S (2014): 50(th) Anniversary of the Declaration of Helsinki: The Double Standard Was Introduced. Arch Med Res. 45. 10.1016/j.arcmed.2014.10.005